Die Wahrheit

Da ich in den folgenden Abschnitten damit fortfahren möchte, dreiste Behauptungen aufzustellen, ohne in die Bedrängnis geraten zu wollen, diese auch beweisen zu müssen, schiebe ich an dieser Stelle einen kleinen Exkurs über die Wahrheit ein. Genauer gesagt werde ich den Wahrheitsbegriff neu definieren, um auch in den restlichen Kapiteln allen Zwängen von Wissenschaftlichkeit entgehen zu können.

Die gegenwärtige Kultur hält viel auf wissenschaftliche Beweisbarkeit. Das heißt, eine als objektiv und unabhängig vom einzelnen menschlichen Geist angenommene Wirklichkeit wird auf ihre Eigenschaften hin untersucht. Behauptungen über die Wirklichkeit gelten dann als wahr, denn der Behauptende den anderen den Effekt irgendwie anhand der Wirklichkeit vorführen kann.

Nun ist zum Beispiel das Fallgesetz noch relativ einfach beweisbar, indem man sich im Herbst unter einen Apfelbaum legt und sich einen Apfel auf die Birne fallen lässt.

Die scheinbare Unantastbarkeit solcher simplen wissenschaftlichen Beweise wird dann aber auf Bereiche übertragen, in denen die Sachlage alles andere als ebenso klar ist.

Nehmen wir mal die herbeigeredete Klimakatastrophe: Ein paar Temperaturreihen reichen also aus um anzunehmen, dass die Erde den Bach heruntergeht und der verderbte Mensch daran schuld ist. Die Illusion von Wissenschaftlichkeit, die in unserem kleinen Fallbeispiel mit dem Fallobst noch durchaus ihre Berechtigung haben mag, bleibt aber aufrecht erhalten. Nicht gesehen wird die Fülle an vollkommen willkürlichen Annahmen, die nötig ist, um an dieser Behauptung festzuhalten. Nicht gesehen wird außerdem die extreme Selektivität der Wahrnehmung, die nötig ist, um alles auszublenden, was dieser Behauptung widerspricht. Nicht gesehen wird, welchen grundsätzlichen Einfluss die geistige Intention des Beweisenden hat.

Es könnte nämlich auch ganz anders sein:

Gut. Dieser kleine Angriff auf die sogenannte Wissenschaftlichkeit, von dem ich wünschte, er hätte die Kraft, derlei Unsinn zu beenden, reicht aber auf jeden Fall aus, um mich selbst davon loszueisen.

Und es sei an dieser Stelle noch kurz bemerkt, dass obige Kritik für mathematische Beweise nicht gilt.

Nachdem uns die Wahrheit aber abhanden gekommen ist, brauchen wir dringend etwas anderes. Sonst weiß man ja gar nicht mehr, was man machen soll. Ich habe mich für Nützlichkeit entschieden.

Diese Publikation bietet eine Reihe von Ideen an, von denen der Autor (also ich) behauptet, Softwareentwicklung könne besser funktionieren, wenn einige der gegenwärtig verbreiteten Ideen durch Ideen aus dieser Publikation ersetzt würden.

Woher weiß man nun, ob das wahr ist, nachdem der Autor zugegeben hat, der Wahrheit abgeschworen zu haben? Normalerweise würde man tun, was man für wahr hält und nicht tun, was man für falsch hält. Und zwar im Sinne einer objektiven, äußeren Wahrheit und unabhängig von der eigenen inneren Befindlichkeit.

Nützlichkeit funktioniert so:

Beim Lesen merkt man ja, ob man Lust hat, irgendwas davon mal auszuprobieren. ("Seit wann gehts hier nach Lust? Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier! Und in der Softwareentwicklung schon gar nicht. Man denke nur an Flugzeuge und Kernkraftwerke.") Ruhe dahinten!

Also wenn man Lust hat, es auszuprobieren, dann probiert man etwas aus und schaut, obs auf diese Weise irgendwie besser geht als vorher. Gehts besser, isses nützlich, wenn nicht, dann nicht.

Also wenn das keine Alternative zu wissenschaftlichen Beweisen ist, dann weiß ich auch nicht.

nächstes Kapitel: Individualität durch und durch (Die Architektur des lebendigen Universums)